Komplexes Umfeld

Durch meine Weiterbildung bei Precision Nutrition im Bereich Ernährungscoaching konnte ich meinen Trainer-Horizont nicht nur erweitern.

Er wurde buchstäblich komplett neu geformt. 

Während ich früher der Meinung war, dass Abnehmen doch nur eine Frage von CICO (Calories In, Calories Out) ist, erkenne ich heute die alles umfassende Komplexität der täglichen Ernährung und das in vielen Fällen damit zusammenhängende Übergewicht.

Meinem damaligen Glauben entsprang der Kern meiner früheren Coaching Philosophie, die folgendermassen ausgesehen hat:

    1. Kunde hat Problem mit Übergewicht
    2. Fokus auf die Energiebilanz als einziges (und wichtigstes!) Schlüsselelement
    3. Berechnung des Kalorienbedarfs und Aufschlüsselung der Makros
    4. Abzug der obligatorischen 300-500 Kalorien
    5. Ernährungsplan erstellen und darauf hoffen, dass der Kunde ihn «befolgt».
    6. Falls nicht befolgt, Stammpauke über Disziplin und Motivation halten.

     

    In einem Satz zusammengefasst behandelte ich die Thematik der Ernährung wie die restlichen 99% in der Fitnessindustrie: Einseitig, ignorant, kurzsichtig und ehrlich gesagt auf die faule Art und Weise.

    Obwohl dieses System teilweise funktioniert hat, war es grösstenteils eine Kampfansage gegen einen Gegner, der so nicht zu besiegen ist.

    Dieser Widersacher ist nicht der sprichwörtliche innere Schweinehund – von dem ich nicht überzeugt bin, dass es ihn gibt – sondern das Geflecht unserer Gewohnheiten.

    Obesity Map

    Eine Veränderung der (Ess-) Gewohnheiten ist auf der einen Seite eine Frage von ernsthafter, intrinsischer Motivationsbereitschaft Handeln zu wollen.

    Auf der anderen Seite ist das richtige Coaching gefragt, welches behutsam und vorsichtig die richtige Strategie aufsetzt.

    Letzteres wurde bei uns wie bereits anfangs erwähnt, vollumfänglich revolutioniert.

    Die

    In einer Lektion über die Komplexität des Abnehmens wurde uns die sogenannte «Obesity Map» vorgestellt

    Die «Obesity Map» (übersetzt «Karte des Übergewichts) stellt Zusammenhänge, Faktoren, Aspekte, Gründe und Einflüsse auf unsere tägliche Ernährung auf einer riesigen Karte auf eindrückliche Art und Weise dar.

    Spätestens dann wurde mir schlagartig bewusst, dass die einfache Methodik der alleinigen Betrachtung der Kalorien und deren Umsatz bei uns der Vergangenheit angehört.

    Die Energiebilanz liegt zwar im Zentrum und definiert das Herz der Obesity Map.

    Schlussendlich müssen wir als Coaches jedoch die über 100 weiteren Faktoren berücksichtigen, die die Energiebilanz und somit auch das Herz beeinflussen und steuern.

    Dies zu ignorieren ist fahrlässig und zeugt von Desinteresse gegenüber der Ernährung als Schlüsselelement im Bereich der Körperkompositionsveränderung.

    Faktoren & Sparten

    Als ich das fast schon unheimliche Zusammenspiel auf dieser Karte näher studiert habe nahm ich mir vor, diese Faktoren einzeln aus dem Englischen zu übersetzen und sie mit unseren Erfahrungen zu ergänzen.

    Herausgekommen ist die folgende Liste von 123 Faktoren, die unsere Ernährung und unser Übergewicht beeinflussen – und die alle miteinander verbunden sind.  

    Die Liste wird zum besseren Verständnis in die folgenden Sparten unterteilt:

    Medien mit 7 Faktoren

    Soziale Umgebung mit 14 Faktoren

    Psychologie mit 12 Faktoren

    Wirtschaft mit 21 Faktoren

    Ernährungsverhalten mit 16 Faktoren

    Bewegung & Training mit 16 Faktoren

    Infrastruktur mit 8 Faktoren

    Entwicklung mit 4 Faktoren

    Biologie mit 18 Faktoren

    Medizin mit 7 Faktoren

    MEDIEN

    1. Verfügbarkeit medialer Berichterstattung
    2. Medien Konsum
    3. Verfügbarkeit passiver Unterhaltungsmöglichkeiten
    4. Bildung
    5. Einwirkung von Lebensmittelwerbung
    6. Fernsehen
    7. Social Media

    PSYCHOLOGIE

    1. Selbstwertgefühl
    2. Soziale Interaktionen
    3. Individualismus
    4. Belesenheit/ Bildung über Ernährung
    5. Stress
    6. Empfinden unmittelbarer Gefahren
    7. Medikation
    8. Psychologische Ambivalenz
    9. Verlangen nach Genuss/ Kompensation
    10. Verlangen Druck abzubauen
    11. Bewusste Kontrolle der Akkumulation
    12. Genetische/ Epigenetische Voraussetzung

    ERNÄHRUNGSVERHALTEN

    1. Kraft der Ernährungsgewohnheiten
    2. Tendenz zu Snacks zwischendurch
    3. Lebensmittel Exponierung
    4. Überfluss an Lebensmittel
    5. Vereinfachung der Lebensmittelzubereitung
    6. Anspruch auf Bequemlichkeit
    7. Bequemlichkeit von Fertig Food
    8. Lebensmittelvariation
    9. Alkohol Konsum
    10. Lebensmittel Geniessbarkeit
    11. Energie-Dichte der Mahlzeiten
    12. Portionierung
    13. Anzahl Mahlzeiten
    14. Geschwindkeit der Nahrungsaufnahme
    15. Nährstoff-Qualität von Essen und Getränken
    16. Ballaststoffgehalt

    INFRASTRUKTUR

    1. Sicherheit unmotorisierterTransport
    2. Dominanz motorisierter Transport
    3. Begehbarkeit des unmittelbaren Umfelds
    4. Möglichkeiten für motorisierten Transport
    5. Umgebungstemperatur
    6. Einkaufsmöglichkeiten
    7. Lokales Angebot
    8. Technologische Errungenschaften

    ENTWICKLUNG

    1. Angemeseene Körperkomposition auf Eltern-Ebene
    2. Angemessenes Verhalten bei der Schwangerschaft
    3. Angemessene Kindererziehung
    4. Qualität und Quantität mütterlichen Stillens
    5. Aufklärung/ Erziehung Schulsystem

    MEDIZIN

    1. Wahrgenommene Widersprüche der Wissenschaft
    2. Anzahl an Infekten
    3. Krankheitsgeschichte
    4. Abhängigkeit von pharamzeutischen Heilmittel
    5. Abhängigkeit von chirurgischen Eingriffen
    6. Abhängigkeit Alternativ-Medizin
    7. Fehlendes Vertrauen in die Pharmaindustrie

    SOZIALE UMGEBUNG

    1. Kulturelle Anpassung
    2. Soziale Akzeptanz von Übergewicht
    3. Ideales Körperbild und dessen Bedeutung
    4. Gruppenzwang
    5. Akzeptanz oder Abhlehnung von Übergewicht als Krankheit
    6. Empfindung von fehlender Zeit
    7. Soziale Ablehnung von Rauchen
    8. Rauchen Aufhören
    9. Elterliche Kontrolle
    10. Kontrolle der Ernährung des Kindes
    11. Gelernte Bewegungsmuster in der Kindheit
    12. Soziale Abwertung körperlicher Arbeit
    13. Positive/ negative Einwirkung von Familie & Freunden
    14. Arbeitsumgebung

    WIRTSCHAFT

    1. Kosten von physischer Bewegung
    2. Dominanz von Office-Jobs
    3. Kaufkraft
    4. Nachfrage und Verfügbarkeit von Fertig-Food
    5. Nachfrage für geschmacksvolle Lebensmittel
    6. Differenzierung des Angebots
    7. Profit-Maximierung der Wirtschaft
    8. Minimierung der Kosten
    9. Kosten der Nährstoffe/ Zutaten
    10. Preis
    11. Anspruch auf Gesundheit
    12. Arbeitsbeschäftigung
    13. Arbeitslosigkeit
    14. Aufwand um Produktionsabläufe zu maximieren
    15. Job Performance
    16. Erhöhung Konsum Effizienz
    17. Sozialer Druck auf Konsumgesellschaft
    18. Geschlechterrollen beim Arbeitsplatz
    19. Druck auf Wachstum und Profitabilität
    20. Druck auf Gesundheitssystem
    21. Lebensmittel Lobby in der Politik

    BEWEGUNG & TRAINING

    1. Möglichkeiten für Team-basierte Aktivitäten
    2. Elterliche Planung von Aktivitäten
    3. Soziokulturelle Wertschätzung von Aktivität
    4. Physischer Bildung
    5. Kinästhetischer Sinn
    6. Zugang zu Möglichkeiten für Training/ Bewegung
    7. Fitnesslevel
    8. Aktivitätslevel
    9. Bewegungslevel zuhause
    10. Abhängigkeit von Aufwand sparenden Services & Gadgets
    11. Nutzung von ÖV und Transport
    12. Funktionelle Fitness
    13. Training/ Bewegung
    14. NEAT
    15. Qualität der Aktivität
    16. Soziale, pädagogische und fachliche Trainerkompetenz

    BIOLOGIE

    1. Biologisches Alter
    2. Geschlecht
    3. Nebenwirkungen von Drogenmissbrauch
    4. Genetische Veranlagung für Bewegung
    5. Grundumsatz
    6. Thermogenese
    7. Genetische/ Epigenetische Prädisposition für Übergewicht
    8. Anteil fettfreie Masse/ BMI
    9. Stoffwechsel
    10. Nährstoffgehalt pro Mahlzeit
    11. Appetitgefühl
    12. Primäre Kontrolle des Hungers
    13. Level an verfügbarer Energie
    14. Tendenz zum Energie sparen
    15. Aufwand um Energie aufzunehmen
    16. Bedeutung physischer Bedürfnisse
    17. Energiebalance
    18. Verdauung und Absorbtion von Nährstoffen