Migros trennt sich von «unbefriedigenden» M-Fit Fitnessstudios – (Analyse)

by Jul 2, 2019Analysen

Die Nachricht, dass die Migros ihre Fitnessstudiokette „M-Fit“ verkaufen möchte kommt mehr als nur überraschend und wirft grundsätzliche Fragen auf, die ich gerne beleuchten möchte. 

Auf der einen Seite sei der Wettbewerb und die unbefriedigenden, finanziellen Ergebnisse der Grund für den Verkauf; auf der anderen Seite fokussiert man sich wieder mehr auf das Kerngeschäft gemäss offizieller Verlautbarung. 

Der „Blick“ trifft den Nagel auf den Kopf mit der Frage, wieso die Migros Sparmassnahmen im immer wichtigeren Gesundheitssektor prüft.

Weiter heisst es in der Zeitung, dass „über 100 ­Fitness-, Wellness- und Aquaparks sowie 53 Gesundheits­zentren von Medbase“ zum orangen Fitness-Imperium gehören. 

Wieso also trifft es gerade die M-Fit Studiokette und legt dessen Verkauf nahe, dass andere Fitnessbereiche ebenfalls betroffen sein könnten? 

WANDEL DER ZEIT

Für uns als Personal Training Studio ist diese Entwicklung sehr interessant zu beobachten. 

Die letzten Jahre, die dem M-Fit gemäss eigenen Aussagen „unbefriedigende, finanzielle Ergebnisse“ bescherten waren für uns sehr erfolgreich. 

Kann es sein, dass sich in der heutigen Zeit die Menschen ihrer Fitness immer bewusster werden und deshalb mehr Wert auf hochwertige und hochintensive Betreuung und damit zusammenhängende Resultate legen? 

Liegt der Verkauf aufgrund von ausbleibenden Resultaten und fehlendem Enthusiasmus im Wandel der Zeit? 

KNALLHARTE STATISTIKEN 

Das Online Magazin „The Hustle“ präsentiert harte Fakten und Zahlen zum Thema Fitnessmitgliedschaften und Kundenbindung: 

  • Eine Umfrage mit 5’313 amerikanischen Gym Members zeigt auf, dass 63% ihr Fitnessabo nie genutzt haben
  • 82% aller Gym Members gehen weniger als 1 mal pro Woche ins Fitnessstudio
  • 22% gehen nach 6 Monaten gar nicht mehr
  • 31% hätten niemals ein Abo gelöst wenn sie gewusst hätten, dass sie ihre Mitgliedschaft so selten nutzen würden. 

Eine der grössten amerikanischen Fitnessketten schliesst bewusst 20x mehr Mitgliedschaften ab als sie überhaupt betreuen könnten. Die Anzahl aller Mitglieder würde gar nicht ins Studio passen. 

Statistiken zeigen zudem auf, dass viele Fitnessstudios ohne diesen Überschuss an nicht verwerteten Fitnessabos nicht mal wirklich profitabel wären. 

Diese Zahlen erscheinen schockierend und trotzdem liegen sie nicht wirklich fern von der Wahrheit. 

Als regulärer Studiobesucher sehe ich immer die gleichen Gesichter um dieselbe Uhrzeit.

Zudem untermauern unsere Kunden im Personal Training ihren Besuch bei uns mit der Aussage, dass sie im Fitnessstudio keinen Erfolg hatten weil sie (fast) nie hingegangen sind. 

QUANTITÄT VS. QUALITÄT

Je länger ich mich mit dieser Thematik befasse desto mehr erkenne ich, dass das Geschäftsmodell des Fitnessstudios zwar wirtschaftlich rendabel aber nicht auf Erfolge der Mitglieder ausgelegt ist. 

Eine echte, persönliche, resultatorientierte und nachhaltige Betreuung ist aufgrund dessen Struktur überhaupt nicht möglich. 

Mark Rippetoe von Starting Strength beschreibt diese Problematik sehr treffend in seinem Buch „Basic Barbell Training“: Der Advent der Kraftmaschinen hat zu einer Kommerzialisierung von Fitnessstudios geführt, die die Kunst (und Effizienz) des freien Trainings komplett ins Abseits gedrängt hat. 

Kraftmaschinen benötigen im Gegensatz zum Training mit der Langhantel nicht übermässig qualifiziertes Personal zur Betreuung was zur Situation der heutigen Fitnessstudios und deren Geschäftsphilosophie geführt hat. 

Ich kann mich noch gut an meine Zeit als Fitnessinstruktor erinnern von vor ca. 9 Jahren. 

Meine Ausbildung damals war zwar interessant für mich als Neuling, jedoch wurden der Kunden-Anamnese und dem Vertragabschluss mehr als 60% der Zeit gewidmet während die Trainingslehre (und besonders die Ernährung) weit hinterher hinkte. 

Uns wurde damals ein Praktikum in den Fitnessparks der Migros angeboten, bei welchem wir ohne Bezahlung arbeiten konnten um «Erfahrungen zu sammeln». 

Dieses Angebot habe ich damals recht herzlich abgewiesen.

In der Arbeitswelt als Fitnessinstruktor angekommen, sollten wir teilweise 50-60 Personen an einem Montag Abend betreuen; zu zweit, zu unqualifiziert und kurzerhand zu unterbesetzt. 

Eine Aufgabe, die alleine schon aufgrund der gegebenen Parameter niemals auf qualitativ anspruchsvollen und zufriedenstellenden Niveau erledigt werden konnte.

Natürlich gab es auch damals immer mal wieder Fitnessstudiobesucher, die keine Betreuung wünschten; das Studio trägt also alleine nicht die volle «Schuld».

Eine Statistik des Schweizerischen Fitnessverbands jedoch zeigt auf, dass diese Zahl in der Minderheit ist: 

  • ca. 700’000 Personen in der Schweiz benötigen keine Betreuung
  • ca. 2 Millionen Personen in der Schweiz benötigen Betreuung
  • ca. 3.5 Millionen Personen in der Schweiz benötigen Betreuung und haben bereits Beschwerden

Als Personal Trainer profitiere ich heute von der Möglichkeit eine hoch-intensive Betreuung auf längerer Zeit anzubieten. 

Dieses intensive Coaching erhöht die Chancen auf Erfolg und fördert unseren oftmals erwähnten Enthusiasmus für Bewegung und ausgewogene Ernährung, den wir an unsere Kundschaft weitergeben möchten. 

Diese intrinsische Überzeugung und Motivation ist einer der wichtigsten Grundsteine um längerfristig im Bereich Bewegung und Ernährung erfolgreich und nachhaltig unterwegs zu sein. 

NACHFRAGE BESTIMMT DAS ANGEBOT

In der freien Marktwirtschaft bestimmt bekanntlich die Nachfrage den Preis und das Angebot. 

Die Nachfrage im Fitnessbereich besteht nach Abnehmen, Erfolg und Resultaten und das (momentane) Geschäftsmodel vieler Fitnessstudios kann diese Nachfrage grösstenteils nicht wirklich befriedigen (wie man nun mit dem Verkauf der M-Fit Reihe sieht). 

Aufgrund fehlender Resultate seintes der Mitglieder, spielt sich der profitorientierte Wettbewerb im Fitnessbereich meistens im Preis-Segment ab; der Günstigere erhält üblicherweise den Zuschlag. 

Dies wird von der Migros als „harter Wettbewerb“ bezeichnet, der „unbefriedigende, finanzielle Ergebnisse“ liefert. 

Als Fazit möchte ich betonen, dass Fitnessstudios keine «schlechte» Erfindung sind da es erstens vereinzelte Erfolge gibt (besonder bei guter Betreuung) und zweitens wir alle im selben Boot sitzen um Menschen dazu ermutigen, sich mehr zu bewegen. 

Ich bin jedoch der Meinung, dass das Geschäftsmodel der nicht vorhandenen oder schlecht ausgebildeten Betreuung (und der oftmals komplett ignorierten Thematik der Ernährung) im Fitnessstudio grundlegend überholt werden muss. 

Gregory Dzemaili, Pn1

Gregory Dzemaili, Pn1

Senior Coach & Gründer

Gregory Dzemaili ist Gründer und Senior Coach von Lebe Stark Personal Training und überträgt seine Mission anderen Menschen zu helfen auf Blog Posts & Social Media.