«Friss weniger und sitz aufs Bike!»
Wir leben in einem interessanten Zeitalter, welches das Thema Informationen und persönliche Meinungen ganz anders klassifiziert und weitergibt als noch vor 10 Jahren. Jeder kann heute seine Meinung kundtun und sich wütend über alltägliche Dinge auslassen; mit dem Glück (oder Pech, je nach Sichtweise), dass der «Post» auf Facebook viral gehen kann. Was damit erschaffen oder zerstört werden kann, nimmt je länger je mehr ungeahnte Ausmasse an.
Auslöser für diesen Blog war ein Post, der mir auf Facebook aufgefallen ist. Die Grundaussage ist schnell erklärt: Übergewichtige Menschen sollen einfach weniger essen und sich mehr bewegen, dies könne doch nicht so schwer sein. Ein «sauberer» Aufbau gestalte sich nämlich viel schwieriger.
Ihre nicht wirklich gemässigten Ausdrucksweise habe ich hier bewusst entkräftet. Die Frage, die sich jetzt jedoch stellt ist folgende:
- Was ist schlimmer? Adipositas Grad 2 oder Magersucht?
KEINE ANTWORT
Diese Frage kann ich als nicht Leidtragender nicht beantworten. Ich weiss nicht wie es ist, wenn man sich beim Anblick von Essen bereits übergeben muss und die Waage chronisches Untergewicht anzeigt. Genausowenig kenne ich das Gefühl, wenn 30 kg zusätzliches Gewicht die Wirbelsäule und das Knie geschädigt haben und der Kühlschrank voll mit Junk Food ist. Allgemein sollte man nicht über diese Menschen urteilen, was jedoch schwer fällt, wenn das destruktive Verhalten (auf beide Seiten) bewusst verfolgt wird.
In Bezug auf den eingangs erwähnten Post, stellt sich für mich folgendes Szenario: Wenn diese Person eine schlimme Magersucht hinter sich hat und jetzt bewusst versucht, gesund zuzunehmen, dann Kudos und viel Erfolg! Sollte dies der Fall sein, musste sie wahrscheinlich noch nie 20 kg abspecken und kennt somit die Tücken, Probleme und mögliche Dysfunktion gegenüber der täglichen Ernährung im Übermass, nicht. In diesem Fall steht es ihr nicht zu eine abwertende Aussage gegenüber Menschen zu treffen, die seit Jahren versuchen abzunehmen.
«Hier ist Feingefühl und nicht Body Shaming angesagt»
ÄHNLICHES LEIDEN
Betrachtet man beide Situation genauer – aus der Magersucht ausbrechen oder das Übergewicht in den Griff bekommen – bemerkt man doch ein ähnliches Leiden. Beide müssen ihre Grenzen und emotionalen Hürden überwinden und sich bewusst machen, dass sie immer und immer wieder über ihren Schatten springen müssen. Eine «einfache» Lösung gibt es weder für die eine, noch die andere Partei. Nur weil die Methodik sich einfach gestaltet («Bewege dich öfters, iss ein bisschen weniger und qualitativ hochwertig»), bedeutet das nicht, dass es einfach durchzusetzen ist.
«SCHÄMST DU DICH NICHT?»
Erfahrungsgemäss ist das Thema Übergewicht sehr heikel und ich rufe dazu auf, sich mit Bedacht darüber zu äussern. Nur weil ich einen übergewichtigen Menschen im McDonalds getroffen habe bedeutet das nicht, dass alle eine Sucht nach Junk Food haben. Alle in einen Topf zu werfen oder ein Buch nur von seiner ersten Seite zu beurteilen macht wenig Sinn.
Schlimmer gestaltet sich die Situation, wenn Fitness Professionals sich destruktiv über das Thema Essen, Ernährung und Übergewicht äussern und andere fragen: «ob sie sich mit ihrer Figur nicht schämen?». Während bei mir teilweise die Tränen fliessen, wenn es um das Thema Ernährung geht, treten andere «Profis» die Gefühle dieser Menschen mit Füssen und missachten dabei, dass der erste Schritt zum Coach, Fitnesscenter oder Ernährungsberater bereits sehr viel Überwindung kostet.
VERÄNDERUNG NÖTIG?
FAZIT
Es ist mir bewusst, dass gewisse Menschen sich einen Dreck darum scheren, was sie zu sich nehmen. Hier ist der Satz von Kunstsammler Simon de Pury sehr passend: „Der Geschmack eines Menschen ermöglicht einen Blick in seine Seele. Wenn sich beim Geschmack Abgründe auftun, lässt das für die Seele nichts Gutes vermuten.“ Bewusstes, destruktives Verhalten am eigenen Körper hat oftmals Auswirkungen auf die eigenen Kinder, Familie, Umfeld etc. Fast 13 Millionen (16.9%) von amerikanischen Kindern zwischen 2 und 19 sind übergewichtig. Bei solchen Situationen hilft vielleicht manchmal (oder auch gar nicht) ein heftiger Schlag auf den Tisch um klarzumachen, in was für einer Situation man sich befindet.
Wer jedoch den Umstand erkennt und bewusst etwas dagegen machen möchte, sollten mit klatschenden Händen empfangen und ermutigt werden. Hier ist Feingefühl und nicht Body Shaming angesagt. Selbst wenn es nur ein kleiner Prozentsatz schafft, eine körperliche Veränderung zu vollziehen; oftmals sind es die bösen Blicke und/ oder Kommentare des Umfelds zuhause, im Gym oder am Arbeitsplatz, die vom Vorhaben abbringen können. Ich möchte es auf jeden Fall vermeiden ein Teil der Gründe zu sein, wieso Menschen es nicht schaffen ihre Hürden und Ängste zu überwinden. Im Gegenteil möchte ich ein Katalysator für ihren Erfolg sein, was mich zu meiner Berufung als Trainer geführt hat..
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